»Mediale Doppelgänger«
Proseminar
Sommersemester 2022 / FAU Erlangen-Nürnberg
Während der Doppelgänger gemeinhin eine Person beschreibt, die einer anderen zum Verwechseln ähnlich sieht, geht der Ursprung dieses Motivs auf eine lange Tradition zurück. In Folklore, Aberglaube und Mythos finden sich Vorstellungen vom Doppelgänger als ein Sichtbarwerden der Seele, die mithin als Schatten, Spiegelbild oder Schutzgeist in Erscheinung tritt und den Menschen nach dem Tod überdauert, also Unsterblichkeit erlangt.
Dieser Vorstellung folgten zahlreiche Interpretationen und Umdeutungen nicht nur in der Literatur. Auch der Film trieb die Popularisierung des Doppelgängers voran. Dort ist er u.a. als Verwirrung stiftendes Double behandelt worden – etwa in The Wrong Man (A. Hitchcock, USA 1957), wo der Protagonist irrtümlicherweise für die Verbrechen seines Ebenbildes verantwortlich gemacht wird. Daneben tritt der Doppelgänger als Wiederkehrer auf: Verstorben geglaubte Personen werden in The Shining (S. Kubrick, GB/USA 1980), Solaris (A. Tarkowski, UdSSR 1972) oder Holy Motors (L. Carax, F 2012) wiederbelebt. Schließlich finden wir das Motiv in Gestalt von Alter Egos, die den Hauptfiguren ihre inneren und zumeist düsteren Seiten offenbaren. Diese psychologisierende Funktion des Doppelgängers finden wir zum Beispiel in Fight Club (D. Fincher, USA 1999), wo das Alter Ego als „unheimliche[r] Vorbote[...] des Todes“ (S. Freud) den Dämon vor Augen hält.
Nachdem wir uns einen Überblick über das Doppelgängermotiv in der Literatur verschafft haben, werden wir uns hauptsächlich mit den oben genannten Variationen im Film beschäftigen. Am Rande werden wir uns auch mit Interpretationen in TV-Serien und Videospielen befassen.
Empfohlene Literatur
Früchtl, Josef: „Ein Kampf gegen sich selbst: das Kino als Ich-Technologie“. In: Ders. (Hrsg.): Vertrauen in die Welt. Eine Philosophie des Films. München: Fink, 2013. S. 39-58.
Herget, Sven: Spiegelbilder: Das Doppelgängermotiv im Film. Marburg: Schüren, 2009.
Rank, Otto: Der Doppelgänger. Eine psychoanalytische Studie. Leipzig/Wien/Zürich: Internationaler Psychoanalytischer Verlag, 1925.